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Jahrbuch MWS Leitkultur mit Gartenzwerg
Kotzebue erfand für sein
Lustspiel das Städtchen "Krähwinkel", das
seitdem zum Inbegriff des Spießigen, Kleinkarierten,
Selbstgerechten geworden ist. Wie ist dieser Schauplatz
auf die Bühne im Gewölbekeller zu bringen, wie sind die
wechselnden Schauplätze - der letzte Akt verlangt einen
Platz mit Giebelhäusern und Laterne - mit den eingeschränkten
Möglichkeiten der Maria Ward - Bühne darzustellen? Auch
für dieses Stück findet die Truppe eine geniale Lösung
- einen Gartenzwerg. Er wird von kichernden kleinen Mädchen
liebevoll auf der sonst leeren Bühne arrangiert, und
"Krähwinkel" ist sofort bezeichnet.
Ähnlich rigoros geht Doris
Kaiser mit dem Text um. Von dem vieraktigen, redseligen
Stück bleiben pausenlose eineinhalb Stunden. Der Text
ist auf das Wesentliche reduziert. Das Stück bekommt
dadurch gleichsam eine kabarettistische Schärfe. Der
Bezug zu aktuellen Diskussionen über Integration und
Ausgrenzung, über Normen der Gesellschaft, die
anzuerkennen sind und ohne deren Anerkennung es keine
Integration geben darf, ist ebenso komisch wie
erschreckend hergestellt.
Dabei kommt wieder der Stil der
Arbeit Doris Kaisers voll zum Tragen: keine Masken, keine
angeklebten Bärte, keine ausgestopften Bäuche. Die
Karikaturen von ehrpusseligen älteren Damen und Herren
werden von den Mädchen ganz ohne Hilfsmittel erreicht -
"Männer" haben Anzüge an, "Damen"
Kleider, das genügt und macht es natürlich schlimmer.
Junge Mädchen spielen Erwachsene, wie Schüler ihre
Lehrer parodieren, diese gar nicht ehrwürdigen
Honoratioren entstehen gleichsam aus dem Spott einer Mädchenklasse.
Das ist ganz vorzüglich und gibt dem Stück eine
Lebendigkeit, die es von wirklich würdigen Damen und
Herren gespielt gar nicht mehr hätte. Dass die Mädchen,
wo sie gerade am Spotten sind, auch heutige "Krähwinkeleien"
in den Text einbauen, gibt einen zusätzlichen Reiz.
Nachdem im letzten Jahr die
Mitglieder der "Gründungstruppe" die Schule
verlassen hatten, war ein neuer Anfang zu machen. Er ist
gemeistert. Die Truppe wirkt wie bisher homogen und
ausgeglichen, die neuen Spielerinnen sind integriert und
auf dem hohen Niveau der Gruppe angekommen. Das ist den
klugen Besetzungen Doris Kaisers zu verdanken. Auch die
scheinbar kleinen Rollen werden wichtig genommen und mit
guten Spielerinnen besetzt. Allen Darstellerinnen setzt
sie das angemessene Tempo des Komischen so sicher ein,
dass die Sache schnurrt, klappt und sich fügt. Wenn dann
am Ende die ehrbaren Damen und Herren noch in Nachthemd
und Schlafmütze auftreten, kennt die Heiterkeit keine
Grenzen mehr. Dazwischen die einzigen Normalen, das sehr
junge Liebespaar, das doch noch Hoffnung auf Besserung in
die verstaubte Krähwinkelwelt bringt.
Diese Aufführung zeigt was
Schultheater leisten kann: Spiellust, direkter Spaß,
Verblüffung, Vergnügen auch am Klamauk, aber gemäßigt
durch Grazie und erhoben vom Geschmack. Das Publikum
dankte mit großem Beifall.
Wolfgang Bachtler
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