Details
Theater-AG
Maria Ward-Schule Mainz
Friedrich Dürrenmatt
Aufführungstermine
13. Mai 2004, Gewölbekeller der MWS
14. Mai 2004, Gewölbekeller der MWS
18. Mai 2004, Gewölbekeller der MWS
19. Mai 2004, Gewölbekeller der MWS
Mitwirkende
Claire Zachanassian Annette Rienäcker, 13M2
Ihre Gatten VII und VIII Stephanie Schüler, 10e
Der Butler Juliane Lotz, 10b
Alfred Ill Viola v. Berlepsch, 12M2
Seine Frau Christina Grom, 11E2
Seine Tochter Patricia Sieck, 7e
Sein Sohn Anna Clement, 9a
Der Bürgermeister Susanne Kessel, 11Bi2
Der Pfarrer Carina Pika, 11E2
Der Lehrer Anne Kummert, 13D2
Der Arzt Johanna Edler, 9a
Der Polizist Frauke Pfeiffer, 11M2
Der Maler Marie-Theres Pietschmann, 10b
Bürger Johanna Edler, 9a
Viktoria Olenberger, 9d
Marie-Theres Pietschmann, 10b
Rebekka Lang, 10e
Zugführer Julia Regis, 9a
Pfändungsbeamtin Christina Grom, 11E2
Presseleute Julia Regis, 9a
Rebekka Lang, 10e
Souffleuse Alexandra Körner, 9d
Bühnenbild, Kostüme Theater-AG
Gemälde Ill Johanna Edler, 9a
Julia Regis, 9a
Plakat Johanna Edler, 9a
Julia Regis, 9a
Viola v. Berlepsch, 12M2
Doris Kaiser
Ton und Licht Anna Clement, 9a
Julia Regis, 9a
Textbearbeitung
Doris Kaiser
Inszenierung Doris Kaiser
Jahrbuch MWS
Dürrenmatt - konzentriert:
Die Theater-AG der Maria Ward-Schule spielt "Der Besuch der alten Dame"
Dürrenmatt bedient sich in seinem Stück von der alten Dame der Welt der Frauenzeitschriften, der Fernsehmagazine und der Kolportageromane, die ja mittlerweile auch schon im Fernsehen angekommen sind. Die alte Dame ist eine dieser Spottgeburten aus Druckerschwärze, wie sie allwöchentlich vorgestellt werden: unvorstellbar reich, unvorstellbar kapriziös, unvorstellbar oft verheiratet, unvorstellbar mächtig.
Die alte Dame kehrt in den Ort ihrer Kindheit zurück, um Rache zu nehmen. Als jungem Ding hat ihr ein Bursche hier ein Kind gemacht. Sie musste die Stadt verlassen. Sie sank moralisch von Stufe zu Stufe. Sie stieg dabei vor der Welt, wie es in den Illustrierten steht, von Mann zu Mann, von Heirat zu Heirat, von Millionen zu Milliarden. Sie macht der durch ihre Intrigen verarmten Stadt ein teuflisches Angebot: der Mann, der sie damals ins Elend stieß, soll ihr als Leiche ausgeliefert werden. Wird die Stadt dieses Blutopfer bringen, so ist sie bereit, einen Milliardenkredit zu geben. Bekommt sie den makabren Lohn ihrer langatmigen Rache nicht, soll das Städtchen Güllen, dafür hat sie schon gesorgt, in Armut ersticken.
Natürlich weisen die Bürger das Ansinnen mit allem humanistischen Abscheu zurück. Aber Geduld, sagt Dürrenmatt, Menschen sind Schweine. Lasst ihnen Zeit, so werden sich die Argumente der Humanisten so geschickt um 180 Grad drehen, dass sie den Mord feinsinnig rechtfertigen werden. Die Sehnsucht nach Wohlstand und Glück ist ein sicherer Motor unserer Bedenkenlosigkeit.
Dürrenmatts Stück hat 32 Sprechrollen, die Theater AG kommt mit 16 Darstellerinnen aus. Dürrenmatt beschreibt in seinem Text ausführlich die Kostüme und Requisiten, die Bühnenbilder und ihre Verwandlungen. Dies ist nur mit einer richtigen Bühnentechnik zu verwirklichen, im Gewölbekeller ist das alles nicht zu machen.
Trotzdem oder eher deswegen hinterlässt die Aufführung einen so starken Eindruck. Doris Kaiser konzentriert das Stück, lässt alles Beiwerk weg, beschneidet Dürrenmatts barock wuchernde Fantasie, reduziert die kabarettistischen Einlagen, entfernt den Kitsch, und macht den Text dadurch nicht nur sinnfälliger, sondern auch stärker.
Doris Kaiser arbeitet sozusagen mit einer " Dramaturgie des Gewölbekellers". Ihre Inszenierungen verwandeln die Stücke dem Spielort an. Dies bringt Konzentration und Stilisierung. Ein Tisch und eine viereckige Dose genügen, um einen Krämerladen darzustellen. Das Wirtshaus "Zum goldenen Apostel" wird durch die Sitzordnung kenntlich gemacht. Der Wechsel von beige- braunen zu dunkelblauen Alltagskleidern genügt, um den wachsenden Wohlstand sichtbar zu machen. Man lese nach, was Dürrenmatt an szenischen Veränderungen und Kostümwechseln vorschlägt, um das Gleiche zu erreichen.
Diese Konzentration macht sich auch im Spiel der Schülerinnen bemerkbar. Die Verdichtung des Textes zwingt zu ganz präziser Darstellung. Natürlich ist das alles nur möglich, wenn man Darstellerinnen hat, die diese schwierige Aufgabe bewältigen.
Annette Rienäcker spielt Claire Zachanassian. Auch sie hat nicht das groteske Gefolge und nicht die aufwändigen Kostüme, die der Autor wollte. Da auch die sentimentalen Rückblenden gestrichen sind, bleiben ihr keine äußerlichen Mittel, um die Figur zu charakterisieren. Sie spielt die erniedrigte Frau, die ihre Rache will. Die Umstände, in die Ill sie gestoßen hat, haben sie kalt gemacht. Scheinbar emotionslos, ohne laute Töne geht sie durch die Szenen, ihr Alter und ihre Versehrtheit nur durch ein leichtes Hinken andeutend. Ihre Verhaltenheit hat einen tückischen Tiefgang. Ihr zur Seite Viola v. Berlepsch als Ill. Man glaubt ihr Ills wilde Proletenjugend und seine Wandlung zum braven Spießer. Ebenso glaubhaft ist ihre Darstellung des armen Mannes, der erschrocken wahrnimmt, wie seine Mitbürger und sogar seine Familie sich an den Gedanken an seinen Tod gewöhnen und Kredit auf seine Leiche nehmen. Faszinierend ist zu sehen, wie sie langsam in die Opferlüge hineinwächst. Sie spielt die verängstigte Lügenhaftigkeit so wahrhaftig, dass die makabre Komödie einen tragischen Zug bekommt.
Auch die andern Bürger von Güllen und die anderen Besucher sind sehr gut besetzt. Susanne Kessel gibt mit verlogener Zielstrebigkeit den Bürgermeister. Anne Kummert zeigt die wetterwendische Intensität der vergrämten Lehrerfigur, Carina Pika die scheinheilige Dumpfheit des Pfarrers. Johanna Edler gibt den kalten Medizinfunktionär. Frauke Pfeiffer als Polizist zieht sich ganz hinter ihre Dienstanweisungen und Vorschriften zurück.
Anna Clement und Julia Regis bedienten präzise Licht und Ton, Alexandra Körner als Souffleuse überwachte die Textsicherheit.
Dürrenmatts Stück ist fast fünfzig Jahre alt. Seine Theatermittel sind sicher gealtert, sein Stück nicht. Wenn es so klug gestrichen, so gescheit eingerichtet und so konzentriert gespielt wird, wie hier, entfaltet es immer noch seine kalte Pracht und blüht bitter und amüsant.
Großer Beifall!

Wolfgang Bachtler
 
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