Details Theater-AG Maria Ward-Schule Mainz |
Der Besuch der alten Dame
Friedrich Dürrenmatt
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Aufführungstermine
13. Mai 2004, Gewölbekeller der MWS14. Mai 2004, Gewölbekeller der MWS 18. Mai 2004, Gewölbekeller der MWS 19. Mai 2004, Gewölbekeller der MWS |
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Mitwirkende
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Jahrbuch MWS
Dürrenmatt - konzentriert:
Die Theater-AG der Maria Ward-Schule spielt "Der Besuch der alten Dame"
Dürrenmatt bedient sich in seinem Stück von der alten Dame der Welt der
Frauenzeitschriften, der Fernsehmagazine und der Kolportageromane, die ja
mittlerweile auch schon im Fernsehen angekommen sind. Die alte Dame ist eine
dieser Spottgeburten aus Druckerschwärze, wie sie allwöchentlich vorgestellt
werden: unvorstellbar reich, unvorstellbar kapriziös, unvorstellbar oft
verheiratet, unvorstellbar mächtig.
Die alte Dame kehrt in den Ort ihrer Kindheit zurück, um Rache zu nehmen. Als
jungem Ding hat ihr ein Bursche hier ein Kind gemacht. Sie musste die Stadt
verlassen. Sie sank moralisch von Stufe zu Stufe. Sie stieg dabei vor der Welt,
wie es in den Illustrierten steht, von Mann zu Mann, von Heirat zu Heirat, von
Millionen zu Milliarden. Sie macht der durch ihre Intrigen verarmten Stadt ein
teuflisches Angebot: der Mann, der sie damals ins Elend stieß, soll ihr als Leiche
ausgeliefert werden. Wird die Stadt dieses Blutopfer bringen, so ist sie bereit,
einen Milliardenkredit zu geben. Bekommt sie den makabren Lohn ihrer langatmigen
Rache nicht, soll das Städtchen Güllen, dafür hat sie schon gesorgt, in Armut
ersticken.
Natürlich weisen die Bürger das Ansinnen mit allem humanistischen Abscheu zurück.
Aber Geduld, sagt Dürrenmatt, Menschen sind Schweine. Lasst ihnen Zeit, so werden
sich die Argumente der Humanisten so geschickt um 180 Grad drehen, dass sie den
Mord feinsinnig rechtfertigen werden. Die Sehnsucht nach Wohlstand und Glück ist
ein sicherer Motor unserer Bedenkenlosigkeit.
Dürrenmatts Stück hat 32 Sprechrollen, die Theater AG kommt mit 16 Darstellerinnen
aus. Dürrenmatt beschreibt in seinem Text ausführlich die Kostüme und Requisiten,
die Bühnenbilder und ihre Verwandlungen. Dies ist nur mit einer richtigen
Bühnentechnik zu verwirklichen, im Gewölbekeller ist das alles nicht zu machen.
Trotzdem oder eher deswegen hinterlässt die Aufführung einen so starken Eindruck.
Doris Kaiser konzentriert das Stück, lässt alles Beiwerk weg, beschneidet
Dürrenmatts barock wuchernde Fantasie, reduziert die kabarettistischen Einlagen,
entfernt den Kitsch, und macht den Text dadurch nicht nur sinnfälliger, sondern
auch stärker.
Doris Kaiser arbeitet sozusagen mit einer " Dramaturgie des Gewölbekellers". Ihre
Inszenierungen verwandeln die Stücke dem Spielort an. Dies bringt Konzentration
und Stilisierung. Ein Tisch und eine viereckige Dose genügen, um einen Krämerladen
darzustellen. Das Wirtshaus "Zum goldenen Apostel" wird durch die Sitzordnung
kenntlich gemacht. Der Wechsel von beige- braunen zu dunkelblauen Alltagskleidern
genügt, um den wachsenden Wohlstand sichtbar zu machen. Man lese nach, was
Dürrenmatt an szenischen Veränderungen und Kostümwechseln vorschlägt, um das
Gleiche zu erreichen.
Diese Konzentration macht sich auch im Spiel der Schülerinnen bemerkbar. Die
Verdichtung des Textes zwingt zu ganz präziser Darstellung. Natürlich ist das
alles nur möglich, wenn man Darstellerinnen hat, die diese schwierige Aufgabe
bewältigen.
Annette Rienäcker spielt Claire Zachanassian. Auch sie hat nicht das groteske
Gefolge und nicht die aufwändigen Kostüme, die der Autor wollte. Da auch die
sentimentalen Rückblenden gestrichen sind, bleiben ihr keine äußerlichen Mittel,
um die Figur zu charakterisieren. Sie spielt die erniedrigte Frau, die ihre Rache
will. Die Umstände, in die Ill sie gestoßen hat, haben sie kalt gemacht. Scheinbar
emotionslos, ohne laute Töne geht sie durch die Szenen, ihr Alter und ihre
Versehrtheit nur durch ein leichtes Hinken andeutend. Ihre Verhaltenheit hat
einen tückischen Tiefgang. Ihr zur Seite Viola v. Berlepsch als Ill. Man glaubt
ihr Ills wilde Proletenjugend und seine Wandlung zum braven Spießer. Ebenso
glaubhaft ist ihre Darstellung des armen Mannes, der erschrocken wahrnimmt, wie
seine Mitbürger und sogar seine Familie sich an den Gedanken an seinen Tod
gewöhnen und Kredit auf seine Leiche nehmen. Faszinierend ist zu sehen, wie sie
langsam in die Opferlüge hineinwächst. Sie spielt die verängstigte Lügenhaftigkeit
so wahrhaftig, dass die makabre Komödie einen tragischen Zug bekommt.
Auch die andern Bürger von Güllen und die anderen Besucher sind sehr gut besetzt.
Susanne Kessel gibt mit verlogener Zielstrebigkeit den Bürgermeister. Anne Kummert
zeigt die wetterwendische Intensität der vergrämten Lehrerfigur, Carina Pika die
scheinheilige Dumpfheit des Pfarrers. Johanna Edler gibt den kalten
Medizinfunktionär. Frauke Pfeiffer als Polizist zieht sich ganz hinter ihre
Dienstanweisungen und Vorschriften zurück.
Anna Clement und Julia Regis bedienten präzise Licht und Ton, Alexandra Körner
als Souffleuse überwachte die Textsicherheit.
Dürrenmatts Stück ist fast fünfzig Jahre alt. Seine Theatermittel sind sicher
gealtert, sein Stück nicht. Wenn es so klug gestrichen, so gescheit eingerichtet
und so konzentriert gespielt wird, wie hier, entfaltet es immer noch seine kalte
Pracht und blüht bitter und amüsant.
Großer Beifall!Wolfgang Bachtler |
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