Details
Theater-AG
Maria Ward-Schule Mainz
d'après Molière
Aufführungstermine
28. April 2005, Gewölbekeller der MWS
29. April 2005, Gewölbekeller der MWS
03. Mai 2005, Gewölbekeller der MWS
04. Mai 2005, Gewölbekeller der MWS
Mitwirkende
Die Schauspieler
Herr von Pourceaugnac Susanne Kessel, 12Bi2
Oronte Frauke Pfeiffer, 12M2
Julie Marie-Theres Pietschmann, 11Bi2
Éraste Stephanie Schüler, 11F2
Sbrigani Viola v. Berlepsch, 13M2
Nérine Carina Pika, 12E2
Lucette Rebekka Lang, 11D2
Ein alter Arzt Viktoria Olenberger, 10d
Ein junger Arzt Daria Kelnhofer, 8b
Der Apotheker
Anja Rode, 8d
Das Publikum
Erster Arzt Johanna Edler, 10a
Zweiter Arzt Julia Regis, 10a
Silke Patricia Sieck, 8e
Trudchen Alexandra Körner, 10d
Autor Judith Maurer, 8d
Souffleuse
Anna Clement, 10a
Licht und Ton Frauke Pfeiffer, 12M2
Bühnenbild, Kostüme Staatstheater Mainz, Theater-AG
Plakat
Johanna Edler, 10a
Komposition/Leitung
der "Besenszene"
Viola v. Berlepsch, 13M2
Musik "Kitten on the
keys" v. Zez Confrey
Salonorchester Cappuccino, Leipzig
Textbearbeitung Viola v. Berlepsch, 13 M2,
Johanna Edler, 10a,
Carina Pika, 12E2,
Susanne Kessel 12Bi2,
Doris Kaiser
Inszenierung Doris Kaiser
Jahrbuch MWS
Jubiläum mit Treuebonus - Die Theater AG spielt Molière
Bei Firmenjubiläen bekommen gute, langjährige Kunden oft Bonuspunkte oder sonstige Vergünstigungen. Auch beim 10-jährigen Jubiläum der Theater-AG wurden treue Besucher belohnt. Die Schülerinnen hatten nicht nur eine kleine Ausstellung zu den neun vorangegangenen Aufführungen aufgebaut, sondern in die zehnte Aufführung auch Zitate und Anspielungen aus den anderen Stücken eingefügt: den Gartenzwerg aus den "Kleinstädtern", diesmal in Lila, die Vogelpuppen aus den "Vögeln", den Kanon aus "Was ihr wollt", die Zugansage aus der "Alten Dame", sogar aus "Die Vögel" war das Eingangslied zu hören, während an "Antigone" nur ein Kinderschippchen erinnerte. Die erkennbarsten Zitate waren aber aus dem ersten Stück genommen, aus Tiecks "Gestiefeltem Kater".
Damit schlägt Doris Kaiser nicht nur einen Bogen zu ihrer ersten Inszenierung, sie bekennt sich auch zum Theater als Spiel, das in der Hauptsache um des Spielens willen betrieben wird. Natürlich gab es in den letzten neun Jahren bei den Aufführungen der Theater-AG das Schöne, Gute, Wahre, die Gesellschaftsanalyse, die Katharsis und die moralische Anstalt, aber immer als Teil des Spiels und des Spielens.
Spielend überspringen die Schülerinnen in ihrer Molière - Inszenierung die Grenze zwischen Bühne und Zuschauerraum, zwischen der Rolle und ihrer privaten Existenz, die wieder eine Rolle ist, zwischen dem Dichter und seinem Stück, ihren parodistischen Ausschweifungen und dem Zuschauer. Sie spielen ein kunstvolles Spiel mit Erfindung und Wirklichkeit, mit Realität und Illusion, mit Sein und Schein. Dass hier alle Rollen von Mädchen und jungen Frauen gespielt werden, trägt natürlich zum Spiel mit der Realität bei: Es gibt Mädchen, die Mädchen spielen, es gibt Mädchen, die Männer spielen, aber es gibt auch Mädchen, die Mädchen spielen, die sich als Männer verkleiden, und das Mädchen, das die Titelrolle spielt, spielt einen Mann, der sich als Frau verkleidet.
Um die ausgesprochen unterhaltsame Verwirrung noch zu steigern, wird der Text Molières nicht nur mit Zitaten aus den vorausgegangenen Stücken angereichert, sondern auch mit Texten und Figuren aus Stücken, die ebenfalls das Theater als Spiel zum Thema haben, wobei die Spanne von Tieck bis Woody Allen reicht.
Viola v. Berlepsch, Johanna Edler, Susanne Kessel, Carina Pika und Doris Kaiser haben den Text so geschickt bearbeitet, dass das Stück nie gestückelt oder zusammengeklebt wirkt, es erscheint als Ganzes, das nicht nur Molières Stück wiedergibt, sondern auch das Theater als Spiel sichtbar macht.
Molières Stück "Monsieur de Pourceaugnac" wird in Deutschland selten gespielt. Es ist zu spielerisch, zu unernst und auch zu unmoralisch. Denn in diesem Stück wird einem schuldlosen Menschen übel mitgespielt - er wird hineingelegt, fast verprügelt, verleumdet und um sein Geld geprellt, und diese Bösartigkeiten werden nie hinterfragt oder verurteilt. Die höhnischen Tricks, mit denen die Comedia-Figuren einen Tölpel übertölpeln, haben bei aller Albernheit immer einen Stich ins Böse. Der Herr Baron, der aus der Provinz angereist kommt, mit dem lächerlichen Vorsatz, eine feine Pariser Dame zu heiraten, befindet sich bei seinem Auftritt im Zustand ungetrübter Lebenslust: wunderbar spielt Susanne Kessel seine genießerische Selbstzufriedenheit. Doch das ändert sich schnell! Die Verwirrungen, in die "ihn" die Handlung geraten lässt, sind bei allem Posseneffekt der einzelnen Szenen stets so auf der Kippe gehalten, dass sie dem armen Opfer noch glaubhaft erscheinen. Molière lässt den Herrn aus der Provinz immer tiefer in die inszenierten Schwierigkeiten geraten, die Scherze werden immer gröber und der arme, schuldlos Geprellte bis zur Todesangst getrieben.
Viola v. Berlepsch, Carina Pika und Rebekka Lang spielen die drei Intriganten, die mit Genuss ihr böses Spiel treiben. Doris Kaiser lässt die drei in viele Rollen schlüpfen, was sie mit nur minimalen Kostümveränderungen bravourös bewältigen. Damit nimmt die Inszenierung dem Stück auch ein wenig seine Bösartigkeit, denn bei Molière treten "richtige" Soldaten und Polizisten, keifende Ehefrauen und Patienten auf. Was bei der Theater-AG im Spielerischen bleibt, ist bei Molière bittere Realität.
Veranstaltet wird das ganze Theater, um die süße Julie vor der Ehe mit dem schrecklichen Provinzler zu bewahren und sie ihrem Eraste zu erhalten. Marie-Theres Pietschmann und Stefanie Schüler spielen das Liebespaar mit mädchenhafter Anmut und jungmännlicher Entschlossenheit. Das Stück wäre nicht von Molière, käme hinter dem zarten Mädchen nicht ein kleines Biest, und hinter dem schönen jungen Mann nicht ein ziemlicher Egoist zum Vorschein. Frauke Pfeiffer gibt den Vater Oronte, der mit seinen Eheplänen die ganze Sache erst ins Rollen bringt, mit der nötigen Ehrpusseligkeit. Da er auf die Wünsche seiner Tochter keine Rücksicht nimmt - auf die Idee, dass Mädchen eigene Wünsche haben könnten, kommt er gar nicht - wird er ebenso hineingelegt wie sein Favorit. Die Jungen siegen über den Alten, die Cleveren über den Beschränkten.
Natürlich braucht das Stück, es ist von Molière, noch die Verächtlichmachung von Fachmenschen. Dafür nimmt der Autor wie meistens Ärzte und Apotheker. Viktoria Olenberger, Daria Kelnhofer und Anja Rode geben das medizinische Personal auf der Bühne.
Vor der Bühne gibt es auch noch Ärzte. Johanna Edler und Julia Regis sind im Publikum nicht weniger borniert, als die Kollegen auf der Bühne. Patricia Sieck, Alexandra Körner, Judith Maurer und Anna Clement vermitteln vor und manchmal auch auf der Bühne, dass Theater ohne Publikum gar nicht möglich wäre. Das gespielte Publikum unterbricht die auf immer höhere Touren gebrachte Possenautomatik mit eigenen Possen. Wunderbar ist die Ärzteszene, wenn die "wirklichen" Ärzte aus dem Publikum die Theaterärzte unterbrechen, um dann auf der Bühne Molières Text zu sprechen. Oder wenn das Klistierspritzen-Ballett (solche unappetitlichen Dinge gibt es bei Molière) durch eine furiose, polyrhythmische Besennummer ersetzt wird. Viola v. Berlepsch hat diese hinreißende musikalische Einlage komponiert und einstudiert. Bei Besen auf der Bühne darf das verehrte Publikum durchaus an die reinigende, kathartische Wirkung des Theaters denken.
Merkwürdig nur, dass die Bearbeiterinnen sich jeden Hinweis auf Hofmannsthal verkniffen, der sich im "Rosenkavalier" ausführlich und wörtlich bei diesem Stück von Molière bediente. Vermutlich sind Maria Ward-Schülerinnen dafür zu fein. Nicht zu fein sind sie für die wunderbare Lust am Spielen, mit der sich das gesamte Ensemble - ob auf oder vor der Bühne - diesem Theaterspaß verschrieb.
Nach großem, begeistertem Beifall verließ das Publikum den Theaterkeller mit dem festen Vorsatz, die nächsten zehn Vorstellungen nicht zu verpassen. Sonst bekommt man beim zwanzigjährigen Jubiläum ja nicht alles mit.

Wolfgang Bachtler
 
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