Details Theater-AG Maria Ward-Schule Mainz |
Mösjöh de Purschonjak
d'après Molière
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Aufführungstermine
28. April 2005, Gewölbekeller der MWS29. April 2005, Gewölbekeller der MWS 03. Mai 2005, Gewölbekeller der MWS 04. Mai 2005, Gewölbekeller der MWS |
Mitwirkende
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Jahrbuch MWS
Jubiläum mit Treuebonus - Die Theater AG spielt Molière
Bei Firmenjubiläen bekommen gute, langjährige Kunden oft Bonuspunkte oder
sonstige Vergünstigungen. Auch beim 10-jährigen Jubiläum der Theater-AG
wurden treue Besucher belohnt. Die Schülerinnen hatten nicht nur eine kleine
Ausstellung zu den neun vorangegangenen Aufführungen aufgebaut, sondern in
die zehnte Aufführung auch Zitate und Anspielungen aus den anderen Stücken
eingefügt: den Gartenzwerg aus den "Kleinstädtern", diesmal in Lila, die
Vogelpuppen aus den "Vögeln", den Kanon aus "Was ihr wollt", die Zugansage
aus der "Alten Dame", sogar aus "Die Vögel" war das Eingangslied zu
hören, während an "Antigone" nur ein Kinderschippchen erinnerte. Die
erkennbarsten Zitate waren aber aus dem ersten Stück genommen, aus
Tiecks "Gestiefeltem Kater".
Damit schlägt Doris Kaiser nicht nur einen Bogen zu ihrer ersten Inszenierung,
sie bekennt sich auch zum Theater als Spiel, das in der Hauptsache um des
Spielens willen betrieben wird. Natürlich gab es in den letzten neun Jahren
bei den Aufführungen der Theater-AG das Schöne, Gute, Wahre, die
Gesellschaftsanalyse, die Katharsis und die moralische Anstalt, aber immer
als Teil des Spiels und des Spielens.
Spielend überspringen die Schülerinnen in ihrer Molière - Inszenierung die
Grenze zwischen Bühne und Zuschauerraum, zwischen der Rolle und ihrer privaten
Existenz, die wieder eine Rolle ist, zwischen dem Dichter und seinem Stück,
ihren parodistischen Ausschweifungen und dem Zuschauer. Sie spielen ein
kunstvolles Spiel mit Erfindung und Wirklichkeit, mit Realität und Illusion,
mit Sein und Schein. Dass hier alle Rollen von Mädchen und jungen Frauen
gespielt werden, trägt natürlich zum Spiel mit der Realität bei: Es gibt
Mädchen, die Mädchen spielen, es gibt Mädchen, die Männer spielen, aber es
gibt auch Mädchen, die Mädchen spielen, die sich als Männer verkleiden, und
das Mädchen, das die Titelrolle spielt, spielt einen Mann, der sich als
Frau verkleidet.
Um die ausgesprochen unterhaltsame Verwirrung noch zu steigern, wird der
Text Molières nicht nur mit Zitaten aus den vorausgegangenen Stücken
angereichert, sondern auch mit Texten und Figuren aus Stücken, die ebenfalls
das Theater als Spiel zum Thema haben, wobei die Spanne von Tieck bis Woody
Allen reicht.
Viola v. Berlepsch, Johanna Edler, Susanne Kessel, Carina Pika und Doris
Kaiser haben den Text so geschickt bearbeitet, dass das Stück nie gestückelt
oder zusammengeklebt wirkt, es erscheint als Ganzes, das nicht nur Molières
Stück wiedergibt, sondern auch das Theater als Spiel sichtbar macht.
Molières Stück "Monsieur de Pourceaugnac" wird in Deutschland selten gespielt.
Es ist zu spielerisch, zu unernst und auch zu unmoralisch. Denn in diesem
Stück wird einem schuldlosen Menschen übel mitgespielt - er wird hineingelegt,
fast verprügelt, verleumdet und um sein Geld geprellt, und diese Bösartigkeiten
werden nie hinterfragt oder verurteilt. Die höhnischen Tricks, mit denen die
Comedia-Figuren einen Tölpel übertölpeln, haben bei aller Albernheit immer
einen Stich ins Böse. Der Herr Baron, der aus der Provinz angereist kommt,
mit dem lächerlichen Vorsatz, eine feine Pariser Dame zu heiraten, befindet
sich bei seinem Auftritt im Zustand ungetrübter Lebenslust: wunderbar spielt
Susanne Kessel seine genießerische Selbstzufriedenheit. Doch das ändert sich
schnell! Die Verwirrungen, in die "ihn" die Handlung geraten lässt, sind bei
allem Posseneffekt der einzelnen Szenen stets so auf der Kippe gehalten, dass
sie dem armen Opfer noch glaubhaft erscheinen. Molière lässt den Herrn aus
der Provinz immer tiefer in die inszenierten Schwierigkeiten geraten, die
Scherze werden immer gröber und der arme, schuldlos Geprellte bis zur
Todesangst getrieben.
Viola v. Berlepsch, Carina Pika und Rebekka Lang spielen die drei Intriganten,
die mit Genuss ihr böses Spiel treiben. Doris Kaiser lässt die drei in viele
Rollen schlüpfen, was sie mit nur minimalen Kostümveränderungen bravourös
bewältigen. Damit nimmt die Inszenierung dem Stück auch ein wenig seine
Bösartigkeit, denn bei Molière treten "richtige" Soldaten und Polizisten,
keifende Ehefrauen und Patienten auf. Was bei der Theater-AG im Spielerischen
bleibt, ist bei Molière bittere Realität.
Veranstaltet wird das ganze Theater, um die süße Julie vor der Ehe mit dem
schrecklichen Provinzler zu bewahren und sie ihrem Eraste zu erhalten.
Marie-Theres Pietschmann und Stefanie Schüler spielen das Liebespaar mit
mädchenhafter Anmut und jungmännlicher Entschlossenheit. Das Stück wäre
nicht von Molière, käme hinter dem zarten Mädchen nicht ein kleines Biest,
und hinter dem schönen jungen Mann nicht ein ziemlicher Egoist zum Vorschein.
Frauke Pfeiffer gibt den Vater Oronte, der mit seinen Eheplänen die ganze
Sache erst ins Rollen bringt, mit der nötigen Ehrpusseligkeit. Da er auf
die Wünsche seiner Tochter keine Rücksicht nimmt - auf die Idee, dass Mädchen
eigene Wünsche haben könnten, kommt er gar nicht - wird er ebenso hineingelegt
wie sein Favorit. Die Jungen siegen über den Alten, die Cleveren über den
Beschränkten.
Natürlich braucht das Stück, es ist von Molière, noch die Verächtlichmachung
von Fachmenschen. Dafür nimmt der Autor wie meistens Ärzte und Apotheker.
Viktoria Olenberger, Daria Kelnhofer und Anja Rode geben das medizinische
Personal auf der Bühne.
Vor der Bühne gibt es auch noch Ärzte. Johanna Edler und Julia Regis sind
im Publikum nicht weniger borniert, als die Kollegen auf der Bühne. Patricia
Sieck, Alexandra Körner, Judith Maurer und Anna Clement vermitteln vor und
manchmal auch auf der Bühne, dass Theater ohne Publikum gar nicht möglich
wäre. Das gespielte Publikum unterbricht die auf immer höhere Touren gebrachte
Possenautomatik mit eigenen Possen. Wunderbar ist die Ärzteszene, wenn die
"wirklichen" Ärzte aus dem Publikum die Theaterärzte unterbrechen, um dann
auf der Bühne Molières Text zu sprechen. Oder wenn das Klistierspritzen-Ballett
(solche unappetitlichen Dinge gibt es bei Molière) durch eine furiose,
polyrhythmische Besennummer ersetzt wird. Viola v. Berlepsch hat diese
hinreißende musikalische Einlage komponiert und einstudiert. Bei Besen
auf der Bühne darf das verehrte Publikum durchaus an die reinigende,
kathartische Wirkung des Theaters denken.
Merkwürdig nur, dass die Bearbeiterinnen sich jeden Hinweis auf Hofmannsthal
verkniffen, der sich im "Rosenkavalier" ausführlich und wörtlich bei diesem
Stück von Molière bediente. Vermutlich sind Maria Ward-Schülerinnen dafür
zu fein. Nicht zu fein sind sie für die wunderbare Lust am Spielen, mit der
sich das gesamte Ensemble - ob auf oder vor der Bühne - diesem Theaterspaß
verschrieb.
Nach großem, begeistertem Beifall verließ das Publikum den Theaterkeller
mit dem festen Vorsatz, die nächsten zehn Vorstellungen nicht zu verpassen.
Sonst bekommt man beim zwanzigjährigen Jubiläum ja nicht alles mit.
Wolfgang Bachtler |
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