Details
Theater-AG
Maria Ward-Schule Mainz
Jean Anouilh
Aufführungstermine
1. Juni 2007, Gewölbekeller der MWS
5. Juni 2007, Gewölbekeller der MWS
6. Juni 2007, Gewölbekeller der MWS

Mitwirkende
Jeanne Marie-Theres Pietschmann 13Bi2
Cauchon Stephanie Schüler 13F2
Der Inquisitor Johanna Edler 12M2
Der Ankläger Anja Rode 10d
Bruder Ladvenu Patricia Sieck 10e
Graf Warwick Danja Höhn 11Ph2
Charles Dorothea Möhring 11Ph2
Die Königin Yolande Rebekka Lang 13D2
Die Kleine Königin Rebecca Sall 8a
Agnes Daria Kelnhofer 11Ge2
Der Erzbischof Judith Maurer 10d
La Trémouille Julia Regis 12D2
Beaudricourt Julia Regis 12D2
Jeannes Vater Constanze Wriedt 11Ge2
Jeannes Mutter Rebekka Lang 13D2
Jeannes Bruder Antonia Regis 8a
Der Henker Constanze Wriedt 11Ge2
Der Page des Königs
Teresa Pika 6d
Souffleuse
Dorothee Jochimsen 9d
Ton, Licht
Anja Rode 10d,
Dorothea Möhring 11Ph2
Bühnenbild
Theater-AG
Kostüme
Johanna Edler 12M2,
Danja Höhn 11Ph2,
Doris Kaiser, Maria Kampe,
Ursula Möhring
Plakat
Dorothea Möhring 11Ph2,
Rebekka Lang 13D2, Doris Kaiser
Textbearbeitung
Theater-AG
Regie
Doris Kaiser
Jahrbuch MWS
Die Lerche hoch im Himmel
Die Theater AG der Maria Ward Schule spielt "Jeanne oder die Lerche"
von Jean Anouilh.
Wer das Theater der Maria Ward Schule besucht, muss in den Keller hinuntersteigen, in einen Keller, der zwar sehr schön ist, aber nicht sehr hoch. Dort unten spielen die Mädchen der Theater AG das Spiel von Jeanne, der Lerche, die hoch in den Himmel aufsteigt. Und es gelingt.
Das Stück beginnt als deutliches Bühnenspiel. Alle Spielerinnen treten auf, suchen ihre Kostüme, richten die Bühne her, nehmen ihre Plätze ein. Das Stück zeigt dann den Prozess der Jungfrau von Orleans zu Rouen. Jeanne steht ihren geistlichen Richtern gegenüber: einem mitfühlenden Bischof, einem bigotten Eiferer als Ankläger, einem sich ihr zuwendenden jungen Pater und dem Inquisitor, der den Menschen zu Gottes blutiger Ehre hasst. Dazu kommt noch Graf Warwick, der elegante Engländer, der eigentliche Herr des Verfahrens. Sie stellen Jeanne die theologischen, politischen und menschlichen Fragen nach ihren Stimmen, nach ihrem Leben auf dem Bauernhof ihrer Eltern, nach ihrer Begegnung mit Beaudricourt, nach ihrem Auftritt am Königshof, nach ihrer Unterredung mit dem Dauphin, nach ihrer Freude am Soldatenleben, nach ihrem Fall und nach dem bitteren Ende. Und immer wenn die Jungfrau Antwort gibt, blendet Anouilh die genannten Szenen ein, übergangslos, Raum und Zeit werden aufgehoben, die Figuren, die gebraucht werden, treten einfach auf und spielen mit Jeanne ihren Anteil an der Geschichte. Dazwischen gibt es noch Szenen am französischen Hof, die die Machenschaften der Politiker und des Klerus zeigen, und die Charles, den Dauphin mit seinen Frauen vorstellen, Schwiegermutter, Ehefrau und Mätresse, das arme Hähnchen in seinem Weiberhof.
Anouilhs Text ist immer dann schön, wenn er lyrisch wird, wenn er skeptisch und witzig ist. Wenn religiöse Grundsatzfragen behandelt werden, wenn es gar religionskritisch wird, wirkt das Stück trocken, bemüht und verliert seine Leichtigkeit. Das Stück ist 1953 geschrieben worden. Seitdem sind wir ganz andere, schärfere Töne gewöhnt, wenn es um Kritik an der Kirche geht. Doris Kaiser hat mit ihrer Truppe deswegen die meisten dieser Stellen gestrichen, ungefähr die Hälfte des Textes, was dem Stück sehr bekommt.
Die Regisseurin hat ihre Darstellerinnen so geführt, dass sie auch ohne Text ausdrucksstark und präsent sind. Johanna Edler als Inquisitor strahlt eine abweisende Kälte aus, sie ist gefährlich, verbreitet eine Atmosphäre der Beklemmung lange bevor sie etwas sagt. Stephanie Schüler findet den verhaltenen, umsichtigen Ton für die väterliche Besorgtheit des Bischofs Cauchon, Patricia Sieck zeigt die Menschlichkeit des Bruders Ladvenu, Anja Rode führt die Dümmlichkeit des geistlichen Anklägers vor, der ständig Dinge fordert, die er offensichtlich nicht versteht. Diesen vier Vertretern der Geistlichkeit ist in den Spielszenen noch der Erzbischof zugeordnet, Judith Maurer, als Beispiel für einen Kleriker, der sein Amt ausschließlich politisch sieht. Julia Regis darf neben soviel Geistlichkeit als LaTremouille und als Beaudricourt eine andere Sorte Männer vorführen: stumpf, laut, geil und beschränkt. Zum großen Vergnügen des Publikums spielt sie mit viel Witz den begriffsstutzigen Kommisskopf. Constanze Wriedt zeigt als Vater und Henker zwei Männer, die ihre jeweilige Männerrolle ganz angenommen haben. Antonia Regis als Jeannes Bruder und Teresa Pika als Page sind sozusagen der Männernachwuchs der Gruppe.
Dorothea Möring ist Charles, der Dauphin. Er hat sich damit abgefunden, dass alle ihn herumstoßen und für ihre Interessen benutzen und er hat auch jede Gegenwehr schon aufgegeben. Er ist nicht nur zu schwach, um sich gegen die Politiker zu wehren, vor allem seinen Frauen kann er gar nichts entgegensetzen. Nicht nur seine Geliebte Agnes Sorel, Daria Kelnhofer stellt mit sichtlichem Genuss ihre Zickigkeit aus, und Rebecca Sall, seine offizielle Königin, nerven ihn mit Mode und Geldforderungen, und wenn sie um ihn konkurrieren, geht es ums Gewinnen, nicht um ihn. Auch seine Schwiegermutter hat Ansprüche, sie möchte einen König aus ihm machen. Rebecca Lang zeigt sie als weise, abgeklärte Dame, die meint, man müsse sich mit den Verhältnissen am Hofe arrangieren. Rebecca Lang spielt aber auch noch Jeannes Mutter, dabei zeigt sie eine ganz andere, schlichtere Mütterlichkeit, aber auch die meint, man müsse sich mit den Verhältnissen auf dem Dorf arrangieren.
Jeanne erst zeigt dem armen Charles, wie er sich befreien kann, sie hilft ihm seine Feigheit in Mut zu verwandeln, sich seiner Angst zu stellen, endlich zum König zu werden und ihr den Oberbefehl zu übergeben. Anouilh zeigt aber auch, dass der Dauphin ohne Jeanne sich wieder feige mit den Gegebenheiten arrangiert.
In diesem Stück gibt es aber noch einen Mann, Graf Warwick, gespielt von Danja Höhn. Ihm hat Doris Kaiser alle kabarettistischen Sprüche über England und Frankreich gestrichen, und die 1953 modischen Reden an das Publikum. Dadurch hat sie ihm eine große Würde gegeben: in dieser Aufführung wird er zum eigentlichen Gegenspieler Jeannes, denn er nimmt bewusst die Rolle auf sich, die seine Familie und sein Stand ihm auferlegen, er wartet darauf, dass die Dinge sich einrenken. Wie Kreon in "Antigone" wird er seine Aufgabe erfüllen, weil sie getan werden muss. Jeanne will das nicht, sie widerruft ihr Geständnis und wählt, wie Antigone, den Tod, weil das Leben, die Dinge, die sich einrenken, sie von ihrem Selbst trennen würden.
(Jean Anouilh "Antigone" von der Theatergruppe der Maria Ward Schule 1999 gespielt)
Marie-Theres Pietschmann spielt diese Jeanne. Sie hat die Kraft der wundersamen Jungfrau und die kindliche Heiterkeit der Erwählten, sie strahlt eine gotteskindliche Fröhlichkeit aus und eine zupackende Frömmigkeit. Sie trägt die ganze Aufführung mit der Lebendigkeit ihrer Sprache. Sie hat eine reiche Palette von Klangfarben, von fahlen Tönen der Verzweiflung, bis zum hellen Lerchenton, sie gibt die Melodie der Aufführung vor.
Nicht vergessen werden dürfen die Schülerinnen und Mütter, die die schönen Kostüme nähten, das Plakat entwarfen und druckten, die die Aufführung mit Licht und eingespielter Musik bereicherten, das Programm nennt ihre Namen. Die einzige der notwendigen Helfer, die in Erscheinung trat, war die Souffleuse Dorothee Jochimsen.
Anouilh lässt sein Stück mit einem Theatercoup enden. Ausgerechnet Beaudricourt vermisst die Krönung in der Geschichte und da der Autor schon das ganze Stück mit Zeit und Raum gespielt hat, wird der schon brennende Scheiterhaufen eingerissen und die feierliche Krönung wird als textlose Liturgie nachgeschoben. Jeanne soll im größten Triumph ihres kurzen Lebens gezeigt werden. Dieser Bilderbuchschluss ist wichtig für Anouilh und seinen Zugriff auf den oft bearbeiteten Stoff. Für diese Aufführung ist er es nicht. Dichter, vitaler, energiegeladener als bei der Scheiterhaufenszene ist das Ensemble nie. Und heller als auf dem Scheiterhaufen klingt der Jubelton der Lerche nie - der Lerche hoch im Himmel.

Wolfgang Bachtler
 
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