Details
Theater-AG
Maria Ward-Schule Mainz
Johann Nestroy
Aufführungstermine
16. Mai 2008, Gewölbekeller der MWS
20. Mai 2008, Gewölbekeller der MWS
21. Mai 2008, Gewölbekeller der MWS
Mitwirkende
Ramsamperl Constanze Wriedt 12Ge2
Semmelschmarrn Dorothee Jochimsen 10d
Kappenstiefel Dorothea Möhring 12Ph2
Povernius Maxenpfutsch Anja Rode 11Ma2
Hyacinthe Patricia Sieck 11En2b
Bella Rebecca Sall 9a
Rosa Judith Maurer 11En2b
Ein ungenanntes Fräulein Malena Große 5d
Pianissimo Antonia Regis 9a
Grobianetto Maike Schmidt 9a
Ein Lakai Teresa Pika 7d
Jäger und Genien Julia Becker 5d
Sophie Becker 5d
Malena Große 5d
Tänze Johanna Edler 13Ma2
Anja Rode 11Ma2
Souffleuse
Daria Kelnhofer 12Ge2
Lichttechnik Anja Rode 11Ma2
Dorothea Möhring 12Ph2
Patricia Sieck 11En2b
Bühnenbild
Theater-AG
Plakat
Theater-AG
Textbearbeitung
Theater-AG
Regie
Doris Kaiser

Jahrbuch MWS
La Cenerentola, Marianne Rosenberg und Harry Potter
Die Theater AG der Maria Ward Schule spielt "Nagerl und Handschuh" von
Johann Nestroy.
Vor Aufführungen der Werke Nestroys außerhalb Österreichs oder ohne österreichische Schauspieler und ohne kleines Orchester und des Singens mächtige Darsteller wird immer gewarnt. Und dann noch die Opernparodien mit ihren ausladenden Musiknummern, viel zu speziell, viel zu schwer! Am Besten: Finger weg!
Wer bisher so dachte und den Dramaturgen und Theaterwissenschaftlern glaubte, wurde von der Theater AG eines besseren belehrt.
Außer den Namen und wenigen Wörtern kommt das Stück ohne Österreichisch aus, und die beiden parodierten Opernvorlagen - Aschenputtel ohne Bäumchen und Tauben- muss man auch nicht kennen, um dem Stück folgen zu können. Und die Musik, die für Nestroy komponiert wurde, muss man auch nicht haben.
Was man allerdings haben muss sind szenische Phantasie, Spielwitz, Musikalität und viele, viele Einfälle. Was man nicht haben darf, ist Respekt vor dem Wort des Dichters. Aber den hatte Nestroy auch nie, wenn er die Texte und Einfälle anderer Autoren verarbeitete. Doris Kaiser und die Mädchen der Theater AG waren also ganz nah bei Nestroy, als sie sich daran machten sich diese Textvorlage anzuverwandeln.
Zunächst musste das Stück, das für ein Guckkastentheater mit Flugmaschinen, Versenkungen und fahrbaren Kulissen geschrieben ist, den Möglichkeiten des Gewölbekellers angepasst werden - also keinen. Die Lösung heißt: Der Firlefanz bleibt weg!
Und wie man den ganzen Abend über sieht, braucht es keine Maschinen und keine Kulissenpracht. Genien sollen das Aschenputtel auf Rosenwolken ins Schloss tragen? Wie man das macht? Ganz einfach: Ein Stück weißer Tüll, wabernde Töne vom Klavier, kleine Mädchen als Kommunionbübchen mit Flügeln, angeführt von einem unwirschen Rosenkavalier, schöner kann ein verzaubertes Mädchen nicht durch die Lüfte zum Ball getragen werden. Und so geht das den ganzen Abend: Ein Zauberer ist 2008 ganz aktuell, wenn er Harry Potters Zaubersprüche benutzt und von dessen Filmmusik begleitet wird. Und es ist doch logisch, dass Jäger, die erst elf sind, keinen martialischen Jägerchor singen, sondern "Fuchs du hast die Gans gestohlen"!
Doris Kaiser und ihre Schauspielerinnen mischen die Stile, springen in den Epochen hin und her, und ersetzen die Anspielungen Nestroys, für deren Verständnis man heute Fußnoten braucht, durch eigene Einfälle. Ist schon die Bearbeitung des Textes und der Musik eine sehr erstaunliche Leistung, so überzeugt die szenische Umsetzung noch mehr. Je leichter, spielerischer, improvisierter Theater scheint, umso disziplinierter und präziser muss es sein. Eine Aufführung wie diese, die perfekt wie ein Spielwerk abschnurrt, verlangt höchste Konzentration, viel Probenarbeit und vor allem eine Regisseurin, die ihre Spielerinnen richtig besetzt und ihnen den Stil des Stückes vermitteln kann. Doris Kaiser zeigt diese Fähigkeit schon seit Jahren an den verschiedensten Texten zur Freude und Bereicherung des Publikums.
Antonia Regis, die Frau am Klavier, hat einen ganz großen Anteil am Gelingen des Abends. Sie ist in allen musikalischen Richtungen zu hause, kann auch noch singen und spielt außerdem eine kleine Rolle. Vom Klavier aus "dirigiert" sie die Aufführung so geschickt, dass man fast nicht bemerkt, wie sie Einsätze gibt und den Ablauf steuert. Wenn sie singt spielt Maike Schmidt für sie Klavier, die sonst den mürrischen Obergenius gibt.
Das Stück handelt von den Schicksalen der Familie Maxenpfutsch. Ein Vater, der sich für die Ausstattung seiner drei Töchter ruiniert, das heißt, das Geld reicht nur für zwei, und für Personal reicht es auch nicht, also muss die dritte Tochter das Dienstmädchen machen, eben das Aschenputtel. Alles Denken des Vaters und der bevorzugten Töchter kreist um zukünftige Ehemänner, die allerdings nur dazu gebraucht werden, den Aufwand der Töchter und die Schulden des Vaters zu bezahlen. Anja Rode stattet den geplagten Vater mit der nötigen Dummpfiffigkeit aus, die sich weltmännisch gibt. Patricia Sieck und Rebecca Sall als die bösen Schwestern sind eitel, egoistisch, bösartig und zickig. Sie halten sich für Geschenke an die Menschheit und verwundern sich sehr, dass die Männer nicht Schlange stehen, wo sie doch so gut aussehen! Und diese hinreißenden Figuren! Einen anderen Daseinszweck, als zu heiraten und Ehemänner auszubeuten, können sie sich nicht vorstellen. Die beiden Mädchen haben beim Spielen offensichtlich soviel Spaß, wie das Publikum beim Zuschauen.
Judith Maurer spielt Rosa, die miserabel gehaltene Tochter. In ihrer Schlichtheit und Güte ist sie der Gegenpart zu ihren schrecklichen Schwestern.
Nestroy parodiert die Geschichte so, dass Ramsamperl, der Prinz, inkognito auftritt und sich in das schlichte, liebe Aschenputtel verliebt und sie sich in ihn. Constanze Wriedt spielt diesen positiven jungen Mann, der um seiner selbst willen geliebt werden will, sehr glaubhaft. Er verliebt sich nicht in die tolle Frau auf dem Ball, die er dann im Aschenputtel versteckt findet, er liebt Rosa, die einfache Magd, weil sie sich von den Frauen, die er sonst kennt, unterscheidet und will sie heiraten. Die Geschichte könnte somit zu Ende sein.
Aber wie Rosa ihre schreckliche Familie, so hat der Prinz seinen Hof. Vor allem hat er seinen Erzieher, den Zauberer Semmelschmarrn. Und dieser, ein Fachmensch, der auf seine Unfähigkeit stolz ist, besteht auf den Klischees der Märchenhandlung. Dorothee Jochimsen verliert nie ihre Würde, auch ihre schlimmsten Fehler bringen sie nicht aus der Ruhe, - man wird ja mal einen Zauberstab verwechseln dürfen. Vor allem aber gibt es an diesem Hof neben einem Lakaien, Teresa Pika, einem Herold, Antonia Regis, kleinen Jägern und Ballgästen den Reitknecht Kappenstiefel, mit dem der Prinz die Rolle tauscht. Dorothea Möhring darf als falscher Prinz genüsslich die Parodie eines eleganten Herrn von Stand vorführen, und der ist so schön! Auf seine peinliche Eloquenz, falschen Fremdwörter und zweifelhafte Manieren fahren die närrischen Schwestern so ab, dass sie sich um ihn prügeln, er ist ja so schön!
Der Zauberer besteht auf dem Fest, bei dem der Prinz seine Braut aussuchen soll. Das ist bei Nestroy eine sehr lange Szene, in der er die musikalischen Moden seiner Zeit parodiert. Auf dem Fest im Gewölbekeller gibt es statt dessen Marianne Rosenberg, als Nachwuchssolo mit Chor, Offenbach als Männerballett und als Höhepunkt zeigt Rosa eine Aschenputtel - Parodie. Mit Rosa als Rosa, Marianne Rosenberg als gute Fee, Kappenstiefel als Prinz - er ist ja so schön -und den Zwillingsjägern als bösen Schwestern. Judith Becker, Sophie Becker und Malena Große sind nicht nur in dieser Szene ein Gewinn für die Aufführung. Mit großer Ernsthaftigkeit und sehr konzentriert singen und spielen sie ihre verschiedenen Rollen und sind dabei umwerfend komisch.
Bis das Stück mit drei Ehen endet, entsteht noch ein ziemliches Durcheinander. Der Zauberer will aus Rosa eine Dame machen, aber da er natürlich die Zaubernelken verwechselt, macht er eine kokette Mondäne aus ihr. Judith Maurer findet auch für diese Rolle die richtigen Haltungen und Töne. Rosa entzaubert sich, flieht aus dem Palast, verliert ihren Handschuh, wird wieder zum Aschenputtel, der Prinz sucht sie, will den Zauberer verhauen, der zaubert mit der richtigen Nelke, Rosa wird zur Prinzessin, der Handschuh passt, Rosa bekommt den Prinzen, und da es in dem Stück keine anderen Männer gibt, heiratet Bella eben Kappenstiefel und Hyacinthe den Zauberer, der Vater wird Kellermeister, gerapter Schlusschor und Ende.
Daria Kelnhofer hat souffliert, Johanna Edler und Anja Rode haben choreographiert, für die Beleuchtung und die Kostüme haben die Darstellerinnen auch noch gesorgt.
Die umwerfende Komik, mit der die haarsträubenden Ereignisse auf der Bühne dargeboten werden, verflachen nie zum Klamauk. Das liegt an den Darstellerinnen von Rosa und Ramsamperl, die ihre Natürlichkeit und Wahrhaftigkeit in den absurdesten Situationen bewahren und damit immer als Gegenpart der anderen Rollen erscheinen, die ihre Figuren, die nur auf Besitz und bürgerliche Reputation aus sind, satirisch parodieren.
Gab es schon nach der Festszene im Publikum die ersten Fälle von Atemnot vor Lachen, so steigerte sich der Jubel am Ende zu stehenden Ovationen.

Wolfgang Bachtler
 
Originaltext "Nagerl und Handschuh" im Word-Format (editierbar)
Originaltext "Nagerl und Handschuh" im pdf-Format

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