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Theater-AG Mai 2013
Maria Ward-Schule Mainz
Johann Nepomuk Nestroy

Intro "Der Talisman"
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Fotos zur Aufführung
Aufführungstermine
24. Mai 2013, Gewölbekeller der MWS
28. Mai 2013, Gewölbekeller der MWS
29. Mai 2013, Gewölbekeller der MWS
Jahrbuch MWS
Eine Perücke ist eine Perücke ist eine Perücke.

Die Theater-AG der Maria Ward Schule spielt Nestroys "Talisman".

Nestroy war Bass. Mit 22 Jahren debütierte er als Sarastro an der Wiener Hofoper. Später gab er seine Opernkarriere auf und schrieb Stücke, "Possen" für das Volkstheater, immer die Hauptrolle für sich und immer mit Gesang. Der Gesang artet manchmal, auch im "Talisman", zu veritablen Opernszenen, Terzetten, Quartetten mit Chor aus.
In der Theater-AG einer Mädchenschule ist es natürlich schwer, einen Bassisten zu finden. Deshalb steht auf dem Theaterzettel "Posse ohne Gesang", damit das Publikum gleich weiß, woran es ist.
Und natürlich vermisst niemand die Musiknummern, die bei der Theater-AG gestrichen sind. Und natürlich ist noch viel mehr gestrichen. Wie immer haben sich die Spielerinnen den Text klug gekürzt und für die Möglichkeiten des Spielortes bearbeitet.
Damit das möglich war, hat Doris Kaiser Nestroys Text, der wie alle Stücke Nestroys im Wiener Dialekt geschrieben ist, ins Hochdeutsche übersetzt. Puristen mögen einwenden, dass dadurch doch viele Feinheiten verloren gingen. Aber besser als gar nicht spielen, ist doch spielen mit leichten Abstrichen. Zumal die Aufführung ungemein bildend ist - wir sind in einer Schule, wo man ja etwas lernen soll - denn die Schauspielerinnen, die Frauen spielen, tragen alle die Hanswurstfrisur, die Joseph Anton Stranitzky, der Begründer des Wiener Volkstheaters, für seine Kasperrolle erfunden hat: das Haar zu einem senkrecht auf dem Kopf stehenden Knoten gebunden. So ist auch ohne Dialekt die Verbindung zum Wiener Volkstheater gegeben.
Doris Kaiser braucht für ihre Inszenierung nur ein Podest, einen Tisch und drei Stühle. Dass das Stück wechselnde Schauplätz hat, wird mit wechselnden Tischdecken angedeutet. Wie immer hat Frau Kaiser mit ihren Spielerinnen genau geprobt und die Charaktere präzise herausgearbeitet. Besonders positiv fällt auf, dass auch die Darstellerinnen der kleineren Rollen ganz in ihren verschiedenen Aufgaben aufgehen.
Das Stück erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der wegen seiner roten Haare von allen abgelehnt wird. Nur die Gänsehirtin Salome, die ebenso rote Haare hat und deswegen ebenso abgelehnt und ausgegrenzt wird, findet ihn schön und begehrenswert und will ihm helfen. Doch alle Versuche scheitern an den roten Haaren. Erst als Titus einem Friseur bei einem Unfall hilft und er als Dank eine schwarze Perücke, den Talisman, erhält, wendet sich sein Geschick.
Die Theater-AG versucht gar nicht, den Frisurenwechsel illusionistisch zu machen. Titus müsste ja die schwarze Perücke über seine rote Perücke ziehen, sondern Nicola Zimmermann zieht die eine Perücke ab und die andere auf.
Sobald Titus keine roten Haare mehr hat, wird er von allen Damen umschwärmt, besonders von den verwitweten, reiferen. Aber diese Damen und Mädchen tragen alle die Hanswurstfrisur: Das Haar zu einem senkrecht auf dem Kopf stehenden Knoten gebunden. Mit so einer Frisur sehen die schönsten Mädchen albern aus, besonders wenn noch Blümchen und Federn darin stecken, oder je nach Stand Schleifen oder Perlen darum gewunden sind. Auch der Schriftsteller Herr von Platt, Helena Wang, trägt diese Frisur und die Haartracht des Friseurs Marquis, den Paulina Knodel sehr elegant spielt, ist an Albernheit nicht zu überbieten. Auch Helena Wang, Natalie Schwabl, Eva-Maria Stollenwerk und Theresa Stroh tragen diese Frisur, wenn sie Bauernmädchen spielen. (Als Gartenknechte oder Bediente der Gräfin tragen sie die Maria-Ward-Theater-AG-Männerfrisur: Zopf.)
Mit diesem großartigen Einfall ist das Stück wunderbar interpretiert. Woher die Damen und Mädchen den Mut nehmen, sich über rote Haare zu erheben, ist bei ihrem eigenen Anblick nicht nachzuvollziehen. Die jungen Damen der Theater-AG tragen diese bescheuerten Frisuren mit großer Selbstverständlichkeit und zeigen dadurch, wie eine uniformierte Gruppe ihr Selbstverständnis und ihren Zusammenhalt aus Äußerlichkeiten gewinnt.
Der rothaarige Titus hat sich schon ein bisschen in die rothaarige Salome verliebt. Doch als ihm seine schwarze Haarpracht neue Möglichkeiten eröffnet, greift er natürlich zu. Plötzlich bemerken die Damen, wie gut er aussieht, wie eloquent und geistreich er ist. Er bewirbt sich im Schloss der Frau von Cypressenburg nur als Gartenknecht, aber die Gärtnerwitwe Flora macht ihn gleich zum Aufseher über die anderen Knechte. Stellvertretend für die dumpfen Gartenknechte spielt Larissa Nießen den Knecht Plutzerkern mit der nötigen Wurstigkeit. Flora gibt Titus den Anzug ihres Mannes, damit er etwas darstelle, in dem er natürlich hinreißend aussieht. Marcena Kortsik spielt die unter ihrer Witwenschaft leidende, reife Frau, die Erotik sehr dezent, aber genau andeutend. Den Stand der Entwicklung zeigt sie, indem sie das Medaillon ihres Verblichenen offen trägt oder im Ausschnitt versenkt, ein viel belachter Einfall. Im neuen Anzug erregt Titus die Aufmerksamkeit der ebenfalls verwitweten Kammerfrau, die zwar die Geliebte des Friseurs ist, aber gegen eine Verbindung mit Titus nichts hätte. Auch sie gibt ihm den Anzug ihres Mannes - Titus ist vom Gartenaufseher zum Jäger aufgestiegen. Das Medaillon wird wieder offen getragen. Dass Gärtnerin und Kammerfrau sich auf Titus kaprizieren, hat auch damit zu tun, dass jede der anderen zeigen will, dass sie noch einen Mann an Land ziehen könnte. Marie-Claire Hihn gibt die hochmütige Constantia, die sich Flora weit überlegen fühlt und mindestens so vornehm ist wie ihre Herrin, wenn nicht noch vornehmer.
Als der Friseur bemerkt, dass die angebetete Kammerfrau Titus in Erwägung zieht, stiehlt er dem schlafenden Titus die Perücke. Der weiß sich nicht zu helfen, als die blonde Perücke der Frau von Cypressenburg aufzusetzen. Blond ist er noch schöner und da er es versteht, der sentimentalen Schriftstellerin nach dem Munde zu reden, macht diese ihn zu ihrem Sekretär und gibt ihm natürlich Kleider ihres verstorbenen Gatten. Christina Becker spielt die Gräfin mit großer Souveränität, ihre künstlerischen Ambitionen scheinen nur ein leichter Spleen. Dass sie von Titus fasziniert ist, deutet sie ganz dezent an, sie braucht ihn auch eher als Dekoration für ihre literarischen Kreise. So erscheint sie auch am Ende glaubhaft, wenn sie Titus zu seiner Erbschaft verhilft.
Weil Kammerfrau und Gärtnerin Titus als "Schwarzkopf" bezeichnet haben, verlangt Emma, die Tochter der Gräfin, dass beide aus dem Dienst entfernt werden. Alina Heider spielt sie als pubertierende Zicke. Doch die Damen lassen sich nicht einfach entlassen, sie protestieren. Titus wird als Rothaariger geoutet und verjagt, die über die roten Haare empörten Damen dürfen bleiben.
Jetzt gibt Nestroy dem Stück eine neue Wendung. Titus' Onkel, der Bierhändler Spund, der sehr reich und sehr beschränkt ist, sucht seinen wegen der roten Haare abgelehnten Neffen, um ihm sein Vermögen zu vererben. Das hat ihm sein Braumeister geraten, selber denken kann er nämlich nicht.
Plötzlich ist Titus trotz der roten Haare wieder interessant. Das Medaillon wird wieder versenkt. Der Bierversilberer wird von der Gräfin dazu gebracht, Titus als Erbe einzusetzen. Katrin Rode spielt mit großem Genuss den beschränkten alten Trottel, der den ihm zugefallenen Reichtum für die Frucht seines Geistes hält und sich von der Gräfin um den Finger wickeln lässt. Bei der Bestätigung der Erbschaft spielt Malena Große, die sonst souffliert hat, die auch bei Nestroy stumme Rolle des Notars.
Durch das ganze Stück zieht sich mit leuchtend roten Haaren, aber ohne alberne Frisur, die Gänsehirtin Salome. Ellen Kneib spielt dieses Mädchen sehr intensiv. Sie zeigt glaubhaft ihr Mitgefühl mit Titus, aus dem dann echtes Gefühl wird - eine große Leistung. Salome geht es immer um Titus, den Witwen geht es nur um ihre Reputation und ihre Rivalität und ihre Stellung in der Welt und ein kleines bisschen um Sex.
Nicola Zimmermann spielt Titus Feuerfuchs. Ein echter Glücksfall für die Aufführung. Mit ihrer Beweglichkeit und ihrem Charme bezaubert sie nicht nur die Damen auf der Bühne, sondern das ganze Publikum. Sie wechselt mit der Haarfarbe nicht ihr Auftreten, sondern höchstens die Sprache. Ihr Titus beobachtet, wie sich die Witwen zu Närrinnen machen, nur wegen seiner Haarfarbe und als er realisiert, dass sie ihn, da er jetzt reich ist, auch mit roten Haaren nehmen würden, lehnt er dankend ab und nimmt Salome, die ihn von Anfang an geliebt hat.
Für Licht und Ton sorgten Katrin Rode, Larissa Niesen und Theresa Stroh. Kostüme und Plakat waren eine Gemeinschaftsleistung der Theater-AG.
Sehr großer, begeisterter, dankbarer Beifall.
Wolfgang Bachtler, Neustadt/Weinstraße
Mitwirkende
Titus Feuerfuchs, ein vazierender
Barbiergeselle
Nicola Zimmermann 13Bi2
Frau von Cypressenburg, Witwe Christina Becker 13Ch2
Emma, ihre Tochter Alina Heider 9d
Constantia, ihre Kammerfrau,
ebenfalls Witwe
Marie-Claire Hihn 9a
Flora Baumscheer, Gärtnerin,
ebenfalls Witwe, im Dienste der
Frau von Cypressenburg
Marcena Kortsik 13Ge2
Plutzerkern, Gärtnergehilfe, im
Dienste der Frau von Cypressenburg
Christina Becker 12Ch2
Knechte der Flora Baumscheer Helena Wang 10d,
Natalie Schwabl 8b,
Eva-Maria Stollenwerk 8e,
Theresa Stroh 8e
Monsieur Marquis, Friseur Paulina Knodel 13Ge2
Spund, ein Bierversilberer Katrin Rode 13E2
Christa, Hannerl, Franzi, Susi,
Bauernmädchen
Helena Wang 10d,
Natalie Schwabl 8b,
Eva-Maria Stollenwerk 8e,
Theresa Stroh 8e
Georg, Bedienter der Frau
von Cypressenburg
Theresa Stroh 8e
Herr von Platt Helena Wang 10d
Notarius Falk Malena Große 11D2
Salome Pockerl, Gänsehüterin
Malena Große 10f
Souffleuse
Malena Große 11D2
Lichttechnik Katrin Rode 13E2,
Larissa Niesen 11D2,
Theresa Stroh 7e
Bühnenbild, Kostüme, Plakat
Theater-AG
Textübersetzung
Doris Kaiser
Textbearbeitung
Theater-AG
Regie
Doris Kaiser
Materialien
Johann Nepomuk Nestroy, Der Talisman in: Nestroy Komödien,
Frankfurt am Main und Leipzig, 1995, S. 147ff

Originaltext auch in: gutenberg.spiegel.de

Zum Inhalt siehe auch:
- Georg Hensel, Spielplan, Schauspielführer von der Antike bis
  zur Gegenwart, Band 1, Frankfurt am Main, Berlin 1987, S. 491
- Klaus Völker (Hrsg.), Bertelsmann Schauspielführer,
  Gütersloh/München 1996, S. 434
- Wikipedia Der Talisman
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