Details Theater-AG Mai/Juni 2015 Maria Ward-Schule Mainz |
Der gestiefelte Kater
Ludwig Tieck
|
![]() ![]() |
![]() |
Fotos zur Aufführung
|
|
Aufführungstermine
|
29. Mai 2015, Gewölbekeller der MWS
2. Juni 2015, Gewölbekeller der MWS 3. Juni 2015, Gewölbekeller der MWS |
Jahrbuch MWS
|
"Wie man das Spiel spielt" Die Theater-AG der Maria Ward Schule spielt "Der gestiefelte Kater" von Ludwig Tieck
"Der Kater - oder - Wie man das Spiel spielt" nennt Tankred Dorst 1964 seine Bearbeitung des Stückes "Der gestiefelte Kater" von Ludwig Tieck.
Theaterstücke, in denen Theater gespielt wird, gibt es viele. In Tragödien dienen die Stücke im Stück dazu, Übeltäter zu entlarven. In Komödien werden sie dazu benutzt, den Bildungsstand der Spieler lächerlich zu machen. Ganz oft, besonders im Musiktheater, unterbrechen sie einfach die Handlung, um als Divertimento neue Farben einzubringen.
Ludwig Tieck konnte also auf eine reiche Tradition zurückgreifen, als er am Ende des achtzehnten Jahrhunderts sein Stück "Der gestiefelte Kater" schrieb. Er erweiterte die traditionellen Stück-im-Stück - Stücke aber über die Bühne hinaus. Bei ihm spielen auch die Zuschauer mit. Mit klugen und dämlichen Bemerkungen kommentieren sie die Handlung, versuchen sie ihre Bildung auszustellen und sich als Insider erkennen zu geben.
In der Aufführung der Theater-AG hat die Regie bei diesem "Publikum" am stärksten eingegriffen. Fast alle Texte sind neu geschrieben und auf die Situation im Theaterkeller bezogen. Hier kommentieren Schülerinnen die Bemühungen ihrer Mitschülerinnen, blasiert bis bösartig, sie streiten sich und fühlen sich überlegen. Vor allem über Trude, die so gar nicht weiß, wie es im Theater ist und wie man sich da verhalten soll. Davina Meyer ist klug genug, das hübsche Dummchen glaubhaft darzustellen. Auch Marie Leonie Schnaubelt, Marie-Claire Hihn und Layla Liliana Simon geben ihre Figuren mit der nötigen Zickigkeit. Sie spielen aber nicht nur Publikum, sie spielen auch im Stück mit. Marie-Claire Hihn spielt plötzlich den Popanz, Marie Leonie Schnaubelt spielt Saxophon, wenn Larissa Niessen verhindert ist Klavier zu spielen, weil sie gerade Gottlieb spielen muss oder Isolde Sellin gerade den Kater. Überhaupt haben fast alle Spielerinnen mehrere Rollen, zwischen denen sie hin und her wechseln, wenn sie sich gerade nicht selbst spielen, wie immer Theresa Stroh als Dichter oder Silvia Michna am Anfang als Patricia, aber natürlich sind diese privaten Existenzen auch nur Rollen.
Nur der König ist so wichtig, dass er nur eine Rolle spielt, genauso wie seine Tochter. Elisa Diesel gibt den König, Natalie Schwabel die Prinzessin. Beide stürzen sich mit sichtbarem Genuss in die Dämlichkeit und Beschränktheit ihrer Figuren. Besonders Elisa Diesel gibt den König so eingeschränkt, dass es geradezu großartig ist. Das Stück ist zur Zeit der französischen Revolution entstanden. Tieck war erst 24, als er es schrieb, da wurde die Figur des Königs schon eine Abrechnung mit den kleinen Fürsten, ihren lächerlichen Fürstentümern und ihren Allüren, ihrer Unbildung und Arroganz. Dieser König ist so überzeugend geraten, dass Büchner ihn für "Leonce und Lena" einfach übernahm, mit wörtlichen Zitaten.
Das Personal am Hof, Charlotte Köhler als Hofgelehrter, Helena Wang als Hofnarr, Rebecca Niessen als Kammerdiener, Silvia Michna als Page und Sophie Anselmann als Koch, unterstützt und bestärkt König und Prinzessin in ihrer eingebildeten Wichtigkeit und ihrer dämlichen Bildungsbeflissenheit, wobei der Hofgelehrte sich lächerlicher macht als der Hofnarr. Auch Ellen Kneib als prinzlicher Freier, und der ist so schön, bleibt, zwar abgewiesen, am Hof und verstärkt das höfische Personal. Später darf sie sogar ein Pferd spielen.
Sie alle spielen mit der Prinzessin zu Unterhaltung des Königs ein Märchenspiel, das aus der Aufführung von 2008 " Nagerl und Handschuh" stammt. Das ist aber nicht das einzige Zitat, das in das Stück eingefügt wird. Die Szene aus der "Zauberflöte" zur Besänftigung des Königs, der über dem Schrecken des verbrannten Kaninchens seinen Zufall bekommt, die die Spielerinnen wunderschön singen, hat schon Tieck eingefügt, die Szene aus Woody Allens "Gott", mit der Dichter und Hofgelehrter über die Schwierigkeiten des Stückeschreibens klagen, hat Doris Kaiser dazugetan. Inzwischen ist der arme Bauernbursche Gottlieb eingeführt, der nach dem Tod seines Vaters nur einen Kater erbt. Larissa Niesen spielt Gottlieb, zwar etwas tumb, aber sehr sympathisch. Isolde Sellin gibt sehr beweglich Hinze, den Kater. Aber dieser Kater kann nicht nur sprechen, er kann auch denken und er hat einen Plan, wenn er rote Stiefel bekommt. Das Personal vom Hof spielt Gottliebs Brüder, den Schuhmacher, einen Wirt, einen Wanderer und einen Bauern. Hinze bekommt seine roten Stiefel und macht sich auf, Gottliebs Glück zu begründen.
Hat der Kater, als er sich Gottlieb als sprechendes und denkendes Wesen zu erkennen gab, schon kluge Sätze über das Verhältnis von Mensch und Tier gesagt, so bemüht er sich auf der Jagd, seine tierische Natur noch weiter abzulegen. Er äußert philosophische Sentenzen, für die er beklatscht wird, sogar das Dummchen aus dem Publikum hat das begriffen, weil das so ähnlich auch in der Schulordnung steht. Die Souffleuse Alina Heider wird hier auch als Kulissenschieber tätig und als Puppenspielerin, wenn sie die Nachtigall zum Leben erweckt. Zudem weist sie auch noch das "Publikum" zurecht, wenn es nötig ist.
Das Märchen nimmt seinen Lauf, Hinze versorgt den König mit Kaninchen und Rebhühnern und führt Gottlieb als Grafen von Carabas ein. Der König will diesen Grafen kennenlernen, und fährt mit der Kutsche aus. Hinze hat die Landbevölkerung, die eigentlich dem Popanz untertan ist, präpariert, den Grafen von Carabas als ihren Landesherrn anzugeben. Der König und die Prinzessin, die auch diese Ausfahrt dazu benutzen, ihre vollkommene Beschränktheit vorzuführen, werden immer gespannter auf den Grafen. Hinze lässt Gottlieb sich ausziehen. Das "Publikum" hofft, dass sich die Truppe einen Knaben vom Wiligis ausgeliehen hat, aber nein, Larissa Niessen wird nicht gedoubelt, deutet das Ausziehen nur an, Hinze klagt beim König den Überfall, der gibt Hinze seinen Mantel für den Grafen. Der König erkennt Gottlieb an seinen Kleidern als Grafen, die Prinzessin ist sehr angetan. Eigentlich ist da Stück jetzt aus, aber das "Publikum" fühlt sich nicht ernstgenommen, will mehr Qualität, mehr Substanz, will intellektuell gefordert werden, obwohl es schon von dem einfachen Kindermärchen überfordert ist. Das wirkliche Publikum im Theaterkeller hat es aber begriffen und dankte mit reichem, begeistertem Beifall den Spielerinnen, die wieder einmal gezeigt haben "wie man das Spiel spielt". Beim Schlussbeifall spielte das Publikum dann erst richtig mit: Damen um die Dreißig standen auf und gesellten sich zu den Spielerinnen auf der Bühne, suchten sich unter den Schülerinnen Partnerinnen aus, zu denen sie sich stellten, mit denen sie sich verbeugten und den Beifall entgegennahmen. War das noch eine neue Idee der Regie, das Spiel Tiecks mit der Realität und dem Theater noch weiter zu spinnen? Es war viel einfacher und viel schöner: Diese jungen Damen haben mit Doris Kaiser vor 20 Jahren den "Gestiefelten Kater" gespielt, 1996, als die Mädchen, die jetzt ihre Rollen spielten, noch gar nicht geboren waren. Sie haben die Tradition der Theater-AG der Maria Ward-Schule mitbegründet, die ersten Jahre mitgespielt, weitere Schülerinnen neugierig gemacht, mit ihrer Spielfreude angesteckt und an der Schule eine Institution mit geschaffen, die bis heute 20 Jahre lang besteht und wie es aussieht, weiter bestehen wird: Doris Kaiser denkt schon über ein Stück für 2016 nach.
Wolfgang Bachtler, Neustadt/Weinstraße
|
Mitwirkende
|
|
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
![]() ![]() |