Details
Theater-AG Mai 2018
Maria Ward-Schule Mainz

Intro "Der Revisor"
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Fotos zur Aufführung
Aufführungstermine
25. Mai 2018, Gewölbekeller der MWS
29. Mai 2018, Gewölbekeller der MWS
30. Mai 2018, Gewölbekeller der MWS
Jahrbuch MWS
"Anschwellender Korruptionsgesang"

Die Theater-AG der Maria Ward-Schule spielt "Der Revisor" von Nicolai Gogol.

Natürlich ist es schwierig für die schönen, klugen, wohlerzogenen jungen Damen der Theater-AG, eine Bande von primitiven, bösartigen, gemeinen Dreckskerlen darzustellen, oder von dämlichen Frauen. In dem Personal des "Revisor" gibt es keine positiven Figuren. Doch die Regisseurin Doris Kaiser hat ihre Truppe so geführt, dass sich die Spielerinnen mit sichtbarem Genuss in die Darstellung der mehr als fragwürdigen Gestalten stürzen.
Auch in diesem Jahr genügen symmetrisch aufgebaute Podeste als Bühnenbild, dazu ein mutig bezogenes Sofa, ein Stuhl und ein kleiner Tisch und nur die allernotwendigsten Requisiten. Kein Hinweis auf Russland oder die Zeit. Die Kostüme zeigen zwar viel Pelz, sind aber durch ihre Siebziger-Jahre-Spießigkeit nur ein Hinweis auf die Spießigkeit der Personen.
Layla Liliana Simon gibt den Bürgermeister. Sie zeigt seine Wichtigkeit mit ihrer Haltung - sie schaut immer von oben herab, auch wenn sie unten steht. Dieser aufgeblasene Popanz ist der Korrupteste von allen und findet, dass ihm das als Bürgermeister auch zusteht. Das finden auch seine Frau und seine Tochter. Davina Meyer und Marie-Sophie Heider spielen wunderbar die zwei fürchterlichen Damen, die sich ununterbrochen streiten. Wenn es um Erotik geht, verwechselt die Mutter sich immer mit ihrer Tochter und denkt, die Avancen des Revisors würden ihr gelten. Aber eigentlich sind das ja ihre Avancen, das verwechselt sie auch. Die Verwechslungen sind schon eingeplant, denn Mutter und Tochter haben sich gleich angezogen: Leoparden-Print in Beige und Nerzjäckchen. Marja, die Tochter, ein unglaubliches Gänschen, ist etwas eingeschränkt, sie bekommt das alles gar nicht richtig mit, aber dass es hier vielleicht um Erotik geht, stimmt sie erwartungsvoll. Vielleicht wird sie ja heiraten und eine feine Dame werden, in der Hauptstadt!
In der ersten Szene verkündet der Bürgermeister, dass ein Revisor kommen wird. Er hat einen Tipp bekommen. Aber die große Aufregung, die diese Mitteilung auslöst, gilt nicht etwa der Gefahr, dass die allgemeine Korruption aufgedeckt wird, sondern der Möglichkeit, durch Bestechung einen höheren Posten zu bekommen, vielleicht gar in der Hauptstadt, oder Konkurrenten auszustechen. Denn korrupt sind sie alle, keiner traut dem anderen über den Weg und jeder kennt die Leichen, die die anderen im Keller haben.
Sofort werden Pläne geschmiedet, wie man den Revisor einwickeln kann. Besichtigungstouren durch die Sehenswürdigkeiten werden geplant und alle werden sich in Schale werfen und sich von ihrer besten Seite zeigen.
In dieser ersten Szene wird die ganze Bande vorgestellt: Die Schulrätin Chlópovna, Marie Leonie Schnaubelt, gibt ihr die pädagogische Professionalität, die man erwarten kann. Ihr kann nichts passieren, zumal an ihrer Anstalt die Mintfächer im Vordergrund stehen.
Den Richter Jagdorowitsch gibt Charlotte Köhler. Einem Richter kann natürlich auch nichts passieren, er weiß zu viel und hat die anderen in der Hand, daran können auch seine erotischen Eskapaden, die natürlich alle kennen, nichts ändern.
Sophie Anselmann ist die Krankenhausverwalterin. Ihr Krankenhaus ist in Ordnung, wenn der Revisor kommt, wird durchgeputzt, die Kranken bekommen saubere Nachthemden, die meisten sind ohnehin schon gestorben, und alles ist gut.
Sophie Stich als Postmeisterin ruht in sich. Sie liest die Briefe, die ankommen und die abgeschickt werden. Dafür sind Briefe schließlich da, dass sie gelesen werden. Und das tut sie und deswegen ist sie immer informiert.
In Gogols Stück gibt es eine deutsche Ärztin, deren Russisch nicht so gut ist und die die anderen schlecht verstehen. In der Theater-AG gibt es Lisa-Julie Ferdinand. Sie kann nicht nur Russisch, sie kann auch perfekt den russischen Tonfall imitieren. Natürlich verstehen die anderen sie nicht, sie können nicht einmal ihren Namen richtig aussprechen. Doris Kaiser macht diese Rolle der Amtsärztin viel größer, als sie bei Gogol ist und gibt so dem Stück eine sehr komische und dann doch russische Farbe.
Marietta Köhler spielt mit großer Ruhe den Polizeichef Karóbkin. Er hält sich raus, da kann ihm auch nichts passieren. Mit seiner Pelzmütze sieht er am russischsten aus.
Das einfachere Volk wird von den Hausbesitzern Bóbtschinski, Rebecca Niesen, und Dóbtschinski, Minou Darabi, abgedeckt. Sie tragen keinen Pelz, sondern wildgemusterte Hemden in Blau und Gelb. Wenn sie auf dem wildgemusterten Sofa sitzen, sind sie kaum mehr zu sehen. Sie gehören nicht wirklich dazu, obwohl das ihr Wunsch und ihr einziges Bestreben ist, aber sie haben einfach nicht genug Geld. Sie können sich an der Bestechung nur mit geringen Beträgen beteiligen, während die feineren Leute ohne mit der Wimper zu zucken dem Revisor große Summen zustecken.
Es gibt aber auch ganz einfache Menschen, die arbeiten müssen, Chlestakóws Diener Ósip zum Beispiel. Silvia Michna schleppt als Ósip Koffer und Bündel und hat immer Hunger und Angst um seinen Herrn, denn wenn der fällt, fällt er mit. Mascha, das Hausmädchen bei Bürgermeisters, und Irina, die Kellnerin im Gasthaus, werden von Lotta Deibert gespielt. Sie wirkt immer etwas belustigt und beobachtet und registriert das Treiben der feinen Herrschaften. Wer weiß, wozu man solche Informationen noch brauchen kann. Diese beiden Figuren stehen bei Gogol für die unterdrückte, verachtete und ausgebeutete Unterschicht. Das ist aber mit lieben kleinen Mädchen nicht zu machen und so lässt Frau Kaiser diesen Kontrast zu den korrupten feinen Leuten weg.
Theresa Stroh spielt Chlestaków, den vermeintlichen Revisor. Dieser Figur gestattet Gogol eine Entwicklung. Er ist ein junger Tunichtgut, den sein Vater nach Hause zurückbeordert, weil er seine angedachte Karriere in der Hauptstadt in den Sand gesetzt hat, nichts verdient, nur kostet. Auf der Heimreise in die Provinz macht er in einem kleinen Städtchen Station, lebt im Wirtshaus, macht noch mehr Schulden.
Die Bewohner des Städtchens halten das für den Beweis, dass dies der angekündigte Revisor ist - wer sich so benimmt, kann nur ein wichtiger Mann sein. Theresa Stroh zeigt nun, wie der junge Mann, der zuerst verunsichert auf die Avancen der Bürger reagiert, dann voll einsteigt, als er kapiert, dass die Herrschaften noch korrupter sind als er. Er siedelt in die Wohnung des Bürgermeisters über und nimmt alles an, was sie ihm aufdrängen, vor allem Geld, aber auch Liebe und Sex. Er steigert sich in einen wahren Rausch, behauptet ein Dichter zu sein, er redet sich besoffen von seiner nie gehabten Bedeutung, bis er als sein eigenes Denkmal auf dem Tisch steht.
Die ganze Bande fühlt sich bestätigt. Der Revisor ist so korrupt wie sie, er nimmt hemmungslos Geld und macht sich auch sonst angreifbar, sie haben ihn in der Tasche.
Die wachsende Gewissheit, dass der Revisor keine Bedrohung, kein befürchteter Abstieg, sondern eine Aussicht auf einen Aufstieg ist, dass sich da Karrieren abzeichnen, schafft eine euphorische Stimmung. Der Ton wird lauter, die Bewegungen werden hektischer, die ganze Gesellschaft steigert sich in einen Rausch.
Die Regie hat das wunderbar choreographiert, aus der Verbrecherbande wird ein Bewegungschor, der über die Podeste schwappt, das hektische Geschwätz klingt plötzlich wie moderne Chormusik. Vor allem die Aussicht, dass Chlestaków der Schwiegersohn des Bürgermeisters werden wird, und dass dann für alle bessere Stellungen und vor allem mehr Geld in Aussicht stehen, lässt alle Hemmungen verschwinden. Der Bürgermeister sieht sich schon als General in Moskau, seine Frau wird als Gesellschaftslöwin die feine Gesellschaft der Hauptstadt dominieren, die Tochter weiß nicht, was auf sie zukommt, aber es wird wunderbar werden.
In diese aufgekratzte Stimmung kommt die Postmeisterin: sie hat wieder einen Brief geöffnet, den Chlestaków an einen Freund geschrieben hat. Er ist abgereist, aber nicht, um seinen Vater um die Erlaubnis zur Hochzeit zu bitten, sondern um sich mit dem ergaunerten Geld der dämlichen Provinzler abzusetzen, über die er sich noch lustig macht.
Und es gibt noch eine neue Nachricht - ein Revisor kommt!
Hatte sich die Heiterkeit während der ganzen Vorstellung mit dem Stück gesteigert, so gilt jetzt der große, dankbare Schlussapplaus dem ganzen Ensemble, dem sich noch die Souffleuse, Isolde Sellin, und die Regisseurin, Doris Kaiser, zugesellten.

Wolfgang Bachtler, Neustadt/Weinstraße
Mitwirkende
Skwósnik-Dmuchanówski, Bürgermeister
Layla Liliana Simon 13D2
Anna, seine Frau Davina Meyer 12E2
Marja, seine Tochter Marie-Sophie Heider 10f
Chlópovna, Schulrätin Marie Leonie Schnaubelt 12D2
Amos Jagdorowitsch, Richter Charlotte Köhler 12E2
Semljanika, Krankenhausverwalterin Sophie Anselmann 11B2
Schpékina, Postmeisterin Sophie Stich 10f
Pjotr Ivanowitsch Bóbtschinski, Hausbesitzer Rebecca Niesen 11B2
Pjotr Ivanowitsch Dóbtschinski, Hausbesitzer Minou Darabi 9b
Ivan Chlestaków, ein Beamter aus Petersburg Theresa Stroh 13B2
Ósip, sein Diener Sylvia Michna 9b
Dr. Kalaschnikova, Amtsärztin Lisa-Julie Ferdinand 10c
Karóbkin, Polizeichef Marietta Köhler 9b
Mascha, Hausmädchen des Bürgermeisters Lotta Deibert 8c
Irina, eine Kellnerin im Gasthaus Lotta Deibert 8c

Suflor
Isolde Sellin 11L2
Ton y Svet
Theater-AG
Szena, Kostum y Plakat
Theater-AG
Inszenierovka
Doris Kaiser
Materialien
Nikolai Gogol, Ausgewählte Werke in zwei Bänden. Deutsch von Korfiz Holm.    Zweiter Band, Der Revident, S. 583-719, München, Albert Langen, o.J. (1924)
Georg Hensel, Spielplan, Schauspielführer von der Antike bis zur Gegenwart,
   Band 1, Frankfurt a. M. / Berlin, Propyläen, 1987, S. 560ff
Klaus Völker (Hrsg.), Schauspielführer, Gütersloh / München,
   Bertelsmann, 1996, S. 376f
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